Skip to main content
Heimatjournal
29 Oktober, 2024

4 Min. Lesezeit

Nadine Zentgraf

„Meine Heimat – Die Rhön”

Ich heiße Nadine Zentgraf, bin 30 Jahre alt und wohne derzeit in Filke in der Rhön. Ursprünglich stamme ich aus dem idyllischen Ortsteil Steinwand, der zur Gemeinde Poppenhausen gehört. Namensgebend ist die beeindruckende Felswand aus Phonolith, die als beliebtes Ziel für Kletterer bekannt ist. Mit nur etwa 500 Einwohnern ist Steinwand ein ruhiger Fleck Erde, der sich auf einer Fläche von rund 1.500 Hektar erstreckt. Hier gibt es keine typischen Dorfbilder, sondern verstreute Höfe und Weiler, die den Charakter des Ortes prägen. Der Mittelpunkt des Ortes sind die Kletterfelsen – auch wenn sie geografisch eher am Rand liegen.

Ich hatte das große Glück, genau hier, am Fuße der Felsen, aufzuwachsen. Denn die Rhön, mit ihrer einzigartigen Landschaft, prägte meine schönsten Kindheitserinnerungen. Gemeinsam mit meinen Eltern, meinen beiden Geschwistern und meinen Großeltern erlebte ich eine Kindheit, die stark von der Natur geprägt war. Wir bauten Baumhäuser, erkundeten den Wald und kletterten regelmäßig an der Steinwand. Diese Zeit gehört zu meinen schönsten Erinnerungen, und ich hoffe, dass auch meine eigenen Kinder eines Tages in solch einer Umgebung aufwachsen können. Was für viele Touristen ein faszinierendes Ausflugsziel ist, war für mich jeden Tag selbstverständlich – der Blick auf die Felsen gehörte für uns zum Frühstück dazu.

Nadine Zentgraf an der Steinwand in Poppenhausen © Kati Schulz


Steckbrief
Name: Nadine Zentgraf
Wohnort: Filke
Alter: 30 Jahre
Hobbys: Geschichte, Musik, lesen, radfahren
Lieblingsspruch: „Ohne Fleiß kein Preis!“


Nadine sitzt auf einem Felsen an der Steinwand © Kati Schulz

Doch die Rhön ist für mich weit mehr als nur ihre Natur. Es ist der Zusammenhalt, der die Region ausmacht, denn jeder kennt jeden, und man unterstützt sich gegenseitig. Dieser Gemeinschaftssinn zeigt sich auch in den örtlichen Vereinen. Neben dem Haus meiner Eltern befindet sich das Vereinshaus des Schützenvereins Steinwand, in dem ich schon seit meiner Kindheit aktiv bin. Jedes Jahr organisieren wir zusammen das Schützenfest, ein Highlight für alle in der Steinwand. Auch bei der Kirmes war ich jahrelang engagiert. Zusammen mit anderen jungen Menschen das Kirmesfest zu organisieren und gemeinsame Zeit zu verbringen hat mir viel Freude bereitet. Der Kirmes-Brauch verbindet die Menschen in der Rhön und so war ich schon als Jugendliche oft in der Region unterwegs.

Mit meiner Heimat verbinde ich auch die Menschen, mit denen ich aufgewachsen bin und mit denen ich bis heute eng verbunden bin. Trotz der verstreut liegenden Höfe habe ich mich in Steinwand nie einsam gefühlt. Denn neben unserem Haus betreiben meine Eltern ein Restaurant, welches seit über 100 Jahren in Familienbesitz ist. Hier treffen sich Einheimische wie auch Touristen, und alle packen mit an – meine Eltern, Großeltern, Geschwister und auch Tanten und Onkel. Die familiäre Verbundenheit und die enge Gemeinschaft der Region sind zentrale Bestandteile dessen, was die Rhön für mich zur Heimat macht.

Blick an der Steinwand in Poppenhausen und Blick auf die Milseburg © Kati Schulz

Abschied von der Heimat

Trotz meiner tiefen Verbundenheit zur Steinwand und meiner Familie wusste ich schon früh, dass meine Leidenschaft für Geschichte mich eines Tages von meiner Heimat trennen würde. Mein Großvater erzählte mir oft abends Geschichten und Sagen aus der Rhön, und so erwachte in mir das Interesse an historischen Themen. Schon als Kind war mir klar, dass ich Geschichte studieren wollte. Als ich 2012 als Museumsführerin im Schloss Fasanerie bei Fulda zu arbeiten begann, kam ich erstmals mit der Museumspädagogik in Berührung. Dort wurde mir bewusst, wie sehr mir die Vermittlung von Wissen am Herzen liegt. Die Möglichkeit, Bildung, Kultur und Pädagogik zu vereinen, faszinierte mich und festigte meinen Entschluss, diesen beruflichen Weg einzuschlagen. Doch um diesen Traum zu verwirklichen, musste ich nach meinem Masterabschluss in Geschichte meine Heimat hinter mir lassen, da es in der Rhön kaum berufliche Perspektiven in diesem Bereich gab. Dieser Abschied fiel mir schwer. Einerseits hing ich an der Rhön, an meiner Familie und der Vertrautheit meiner Heimat, andererseits verspürte ich den Wunsch, einen Beruf auszuüben, der mir ein Leben lang Freude bereiten wird. So führte mich mein Weg nach Heilbronn und später nach Selb, wo ich im Porzellanikon, Europas größtem Porzellanmuseum, als Museumspädagogin arbeitete. Obwohl ich meine Arbeit liebte, war das Heimweh ein ständiger Begleiter.

Angekommen in Meiningen

Im Internet stieß ich schließlich auf eine Ausschreibung der Meininger Museen, in der eine Museumspädagogin für Kinder und Jugendliche gesucht wurde. Sofort war mir klar: Das ist meine Chance, zurück in die Nähe der Rhön zu kommen. Aber auch die Themen wie Musik, Theater, Literatur, Kunst und Geschichte, die in den Meininger Museen vermittelt werden, haben mich schon immer begeistert. Umso größer war meine Freude, als ich die Zusage erhielt. Meiningen und die umliegende Region kannte ich bereits gut aus meiner Kindheit, da meine Eltern mit uns oft Ausflüge nach Thüringen und Bayern unternommen haben. Aus diesem Grund habe ich mich von Beginn an in Meiningen heimisch gefühlt und war glücklich, in dieser vertrauten Umgebung beruflich Fuß fassen zu können.
Seit Januar arbeite ich nun als Museumspädagogin in Meiningen und führe Kinder als Prinzessin Sophie durch Schloss Elisabethenburg. Schon als Kind haben mich Prinzen und Prinzessinnen fasziniert, und die kleinen Besucher lieben diese Kostümführungen genauso sehr wie ich und die Nachfrage danach ist entsprechend groß. Zusätzlich biete ich vielfältige Ferienprogramme und Familiensonntage an. Diese widmen sich mal den Märchen von Ludwig Bechstein, mal geht es um das Schreiben mit Tinte und Feder oder um spannende Experimente rund um die Fotografie. Besonders nachgefragt sind auch die Taschenlampenführungen zu Halloween, die bei den Kindern hervorragend ankommen. Was mich immer wieder aufs Neue begeistert, ist die ungeteilte Aufmerksamkeit und Freude, mit der die Kinder den Führungen lauschen. Auch beim anschließenden Kreativprogramm sind sie voller Begeisterung dabei. Das zeigt mir, wie wichtig und wertvoll diese Arbeit für mich ist.
Ich bin glücklich, dass ich in Meiningen eine berufliche Heimat gefunden habe, die so viele meiner Leidenschaften vereint. Mit meiner Wohnung im kleinen Rhöner Ort Filke und den vertrauten Kletterfelsen an der Steinwand, bin ich wieder in meiner Heimat angekommen.

Nadine als "Prinzessin" bei der Kostümführung in den Meininger Museen, Nadine am Schießstand in Poppenhausen und am Zapfhahn in der Gaststätte ihrer Eltern in Poppenhausen © Kati Schulz

Erschienen in der Ausgabe 11/2024 (zum Heftarchiv).