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Heimatjournal
01 Mai, 2023

4 Min. Lesezeit

Steffen Filtzer

„Römm !??”

Es war mein zweiter Tag überhaupt in der Rhön, als ein guter Freund und Nachbar meines zukünftigen Schwiegervaters mir das Wort „römm“ zurief. Wir befanden uns im kleinsten der Fladunger Ortsteile „Sands“: 32 Einwohner, idyllisch im Tal gelegen, viel Wald und Wiesen, mit alter Kirche und den typischen Fachwerkhäusern mit niedrigen Decken und schmalen Türen. Ja und genau das war an diesem Tag das Problem!

Das erneute „römm“ des Nachbarn klang jetzt merklich fester in der Stimme! Er hatte den

engen Eingang seines Hauses bereits passiert und versuchte mich nun so zu positionieren, dass wir durch den schmalen Flur in einer 90 Grad Linkskurve die Tür zum Wohnzimmer anvisieren würden. Einzig was uns vom Abbiegen trennte, war das größte Segment seiner neuen, insgesamt 5-sitzigen Eckcouch, welches wir seit dem Abladen vom Anhänger trugen. Ein geschätzt drei Meter langes und einige Zentner schweres Mobiliar – im Katalog wahrscheinlich nicht nur als bequem, sondern auch als erdbebensicher angepriesen.

„Weiter römm un rü!“

„Bitte?“, fragte ich.

„Du sollst jetzt RUMM und dann dort hinten RÜBER!“, sagte er.

Darauf folgten wieder einige Worte im Dialekt die ich nicht verstand und auch nicht sicher war, ob sie freundlich gemeint waren. Ich bewegte mich also etwas rechts „römm“ und dann hinten „rü“, einige Stufen die Treppe zum ersten Stock hinauf und dann mit leichter Drehung wieder zurück. Jetzt passte es. Es folgten ein paar Tage mit Muskelkater, aber immerhin konnte ich jetzt meine ersten zwei Worte Rhönerisch. Natürlich kam ich an den folgenden Abenden gerne beim Nachbarn zum Probesitzen und auf ein Rhöner Bier „römm“. Weitere Verständigungsschwierigkeiten sollten allerdings in Kürze folgen, zum Beispiel die Aussprache der Wochentage sowie richtige Interpretation der Uhrzeiten oder die rigorose Leugnung der Existenz des Buchstabens „T“.

Das Ganze ist jetzt über 20 Jahre her und seit acht Jahren sind meine Frau, meine Tochter und ich in der Rhön zuhause. Unsere neue Heimat!

© Kati Schulz


Steckbrief
Name: Steffen Filtzer
Wohnort: Fladungen
Alter: 55 Jahre
Hobbys: Musik machen


Die Motivation unsere alte Heimat Offenbach zu verlassen waren nicht diese typischen Aussteigergedanken wie „Selbstfindung“ oder die „Work-Life-Balance“. Es ist für uns in der Rhön einfach schöner! Lebenswerter!

Allein diese Ruhe. Wer in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens groß geworden ist und problemlos die Fahrgestellnummer jedes Airbus ohne Fernglas lesen konnte, ist erstmal von der Stille in der Rhön verwirrt. So erging es auch einem guten Offenbacher Freund als er uns zum ersten Mal in Fladungen besuchte.

„Wirklich schön hier, aber diese Stille würde mich verrückt machen.“, waren seine ironisch gemeinten Worte. Er lebt mittlerweile außerhalb von Offenbach (Anm. des Verfassers).

Die Natur ist das eine, die Menschen das Besondere! Ich muss sagen, dass ich mich menschlich an noch keinem anderen Ort so wohl gefühlt habe, wie in der Rhön. Offen, humorvoll und hilfsbereit. So würde ich die Rhöner bezeichnen, die ich hier kennengelernt habe – jetzt, wo ich die Sprache, zumindest zum Großteil, verstehe. ;-)

Für meine Frau, als gebürtige Rhönerin, war unser Umzug ein „nach Hause kommen“, für meine Tochter, zugegeben zu Beginn eine Umgewöhnung und für mich die richtige Entscheidung, an der ich nur eines bereue – wir hätten es früher machen sollen!

Mittlerweile sind Teile unserer Familie und auch Freunde unserem Beispiel gefolgt und wohnen seit einigen Jahren in Fladungen. Besser geht es nicht!

Fladungen ist mir in den letzten Jahren sehr ans Herz gewachsen. Die mittelalterliche Stadtmauer mit ihren Türmen, die kleinen Gassen und das weite bewaldete Umland haben für mich einen ganz besonderen Reiz. Dazu kommen die vielen Freundschaften, Vereine und Veranstaltungen. In der Rhön ist Fladungen definitiv mein Lieblingsplatz.

Der Wasserspielplatz in Fladungen

Aber auch in der Rhön muss man natürlich arbeiten. Und das tue ich hier sogar mit mehr Motivation als noch in Offenbach. Somit zählt mein Büro in Fladungen auch zu meinen Lieblingsplätzen. Ich bin gelernter Kaufmann für Marketingkommunikation und war in der Funktion als Grafiker lange in Werbeagenturen in Frankfurt und Offenbach tätig. Vom Fertighaus bis zum Freizeitschuh, von der Wärmepumpe bis zur Frankiermaschine oder der Bomberjacke bis zur Badewanne. Ich glaube es gab wenig Produktsparten, die nicht irgendwann über meinen Schreibtisch wanderten. Das war ein sehr spannender Lebensabschnitt, in dem ich viel gelernt und erlebt habe.

„Der mit den T-Shirts“

Unter meinem Namen „Steffen Filtzer“ kannte mich zu Beginn in Fladungen kaum jemand. Ich war einfach nur „Der mit den T-Shirts“! Denn mit der Marke „Rhönwild“, die ich 2015 in Fladungen gegründet habe, konnte ich endlich eine Idee umsetzen, die über Jahre und unzählige Besuche in der Rhön gereift war: Nämlich der Rhön in Form von Mode und Motiven ein modernes textiles Outfit zu geben und dabei zu 100 Prozent auf nachhaltige Bioqualität zu setzen. Das war und ist bis heute die Philosophie der Marke.

Ich vertrete die Meinung: „Lieber ein paar Shirts weniger im Schrank und dafür bewusster eingekauft.“

Die Kunden unserer Rhönwild-Läden in Fladungen und Ostheim sowie der zahlreichen Rhöner Fachgeschäfte, die unsere Textilien im Sortiment führen, bestätigen mich und meine Mitarbeiter, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben. Und wer „Rhönwild“ noch nicht kennt, findet mittlerweile sicher einen Händler in seiner Nähe.

Fotos: Kati Schulz

Erschienen in der Ausgabe 05/2023 (zum Heftarchiv).