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Heimatjournal
29 August, 2024

4 Min. Lesezeit

Michelle Fischer

„Hier will ich bleiben. Hier werde ich alt.”

Mein Name ist Michelle. Ich bin 28 Jahre alt und habe eine zweieinhalbjährige Tochter. Aufgewachsen bin ich in der Rhön. Zunächst in Stangenroth, dann in Nüdlingen. Mit 16 verschlug es mich nach Leipzig. Dort kommt meine Familie ursprünglich her. Ein Gesangsstudium war der beste Grund für mich die damals so „langweilige“ Rhön zu verlassen. Um ehrlich zu sein, wusste ich durch meine vielen Umzüge nie so richtig, wo meine „Heimat“ ist. Als ich Ende 2023 aus beruflichen Gründen die Chance hatte wieder in die Rhön zu kommen, war ich zunächst skeptisch. Irgendwie habe ich mit den Jahren einen großen Berg an Vorurteilen den Rhönern gegenüber entwickelt. „Die gucken nicht über den Tellerrand hinaus“, „Puh, da gibt es echt gar nichts.“ usw. Und dennoch wusste ich genau, dieser Ort, diese Ruhe, diese Weite sind genau das, was ich mir für mich und mein Kind wünsche.

Michelle Fischer in Stetten © Kati Schulz


Steckbrief
Name: Michelle Fischer
Wohnort: Völkershausen
Alter: 28 Jahre
Hobbys: malen, fotografieren, dichten, wandern und neuerdings auch die Landwirtschaft
Lieblingsspruch: „Alles hat seinen Sinn (auch wenn wir ihn manchmal erst viel später sehen)."


Michelle bei einer „Rhönschafmassage” © Kati Schulz

Michelles Vision vom Waldkindergarten © Michelle Fischer

Und so zog ich Anfang 2024 in meine schöne Einöde Völkershausen. Ein wirklich wunderschönes, kleines Dorf mit einem Weiher, einem wunderschönen Wald, direkt vor der Nase und einem Dorfbrunnen, welchen die Kinder hier als Badebecken deklariert haben. Dass ich mich dann so schnell hier zuhause fühle, damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Immerhin schwebten mir immer noch meine Vorurteile im Kopf.

Kaum hier angekommen suchte ich in der Umgebung einen Waldkindergarten für meine Tochter. Leider ohne Erfolg. Zunächst! Denn schon bald gründete ich meine eigene Elterninitiative, aus welcher heute unser Verein – Ostheimer Waldkindergarten e. V. – hervorgeht. Aktuell haben wir 33 Kinder auf der Interessentenliste und es werden immer mehr. Zur Verwirklichung unseres Herzensprojekts benötigen wir noch finanzielle Unterstützer. Besonders zur Anschaffung unseres Bauwagens sowie zur anfänglichen Kostendeckung.

Ich habe nicht nur ein super tolles, mittlerweile elfköpfiges Team und neue Kontakte gewonnen, sondern auch einen Partner gefunden, der mir damals angeboten hat unseren Waldkindern mal zu zeigen, woher unser Essen stammt. Martin wohnt mitten in der Rhön. Früher für mich unvorstellbar, heute für mich der absolute Jackpot. Ich liebe nichts mehr als Zeit mit meiner kleinen Familie an der frischen Luft und mit den Tieren zu verbringen. Besonders Martins Rhönschaf-Böcke haben es mir angetan. Diese Tiere sind ein absoluter Segen. Sie sind so sozial. Fast schon wie Hunde. Wenn ich mich zu ihnen setze, kommen sie nach und nach zu mir und genießen die wohl beste „Rhönschafmassage”, die es gibt. Gleichzeitig bringen sie mich in meine Mitte. An stressigen Tagen findet man mich, wenn es die Zeit zulässt, meistens bei ihnen. Auch die Arbeit, welche mit ihnen einher geht, macht mir so viel Spaß. Meine Freunde lachen schon. Früher schickte ich Bilder von den höchsten Gebäuden der Großstadt und heute schreibe ich ihnen freudig einen Bericht, wenn ich beim Zaunstecken helfen durfte oder wieder ein Tier auf dem Hof das Licht der Welt erblickt hat.

Nun, dreimal dürft ihr raten, wessen Vorurteile absoluter Blödsinn waren. Ja, richtig: Meine! Je länger ich hier nun wieder wohne und je mehr Rhöner ich kennenlerne, desto beeindruckter bin ich. Engstirnigkeit habe ich bisher nirgends erlebt. Im Gegenteil. Die Menschen sind nicht mürrisch. Ich wurde bisher überall mit Offenheit und Herz empfangen.
Besonders auch in Bezug auf die Kinder und den Waldkindergarten. Hier gibt es so viele Menschen, die auch alternative Konzepte mögen, die ihre Augen für die verschiedensten Themen öffnen und mit denen man sich ehrlich und wertschätzend austauschen kann. Hier ist es nicht langweilig.

Ausblick nahe der Rother Kuppe © Kati Schulz

Einen meiner Lieblingsorte habe ich bereits gleich nach meinem Umzug entdeckt. Die Rother Kuppe. Genauer gesagt, ein bisschen darunter. Am Parkplatz vom Rhön Park Aktiv Hotel hat man eine wunderschöne Aussicht. Hier ist auch nie übermäßig viel los, sodass man den Platz wirklich genießen kann. Wer in den Genuss der allerbesten Windbeutel kommen möchte, der sollte unbedingt mal in die Thüringer Hütte. (Nicht weit von der Rother Kuppe entfernt.) Auch hier gibt es einen phänomenalen Blick über die Rhön. Und wenn man schon einmal in der Nähe ist, kann man auch gleich noch ein bisschen wandern, zum Beispiel nach unten zum Silbersee (ein kleiner See im Wald) oder einen der vielen Wanderwege entlang.

Das Café Heimathafen in Willmars ist mein absoluter Safespace von Anfang an gewesen. Nicht zu schick, total bodenständig und urgemütlich. Mini-Erdkröten gibts gratis zum Bestaunen und ganz viele tolle Spielsachen. Und die aller beste Himbeere-Windbeutel-Torte!

Die Weihersmühle in Fladungen bietet auch unglaublich viel für die ganze Familie! Ein Spielplatz wie aus einem Bilderbuch, Tiere wie Pferde, Kaninchen. Im Sommer findet man kurz davor auch die Schafe meines Freundes und zwei toll bestückte Getränke-/Lebensmittel-/Eisautomaten und vieles mehr.

Alleine die Hochrhön bietet uns so viel hier. Und das Allerschönste ist: Ich habe nun endlich meine Heimat gefunden. Eine Heimat, die auch meiner Tochter eine sein wird. Hier darf sie wachsen, die Natur erleben, ihre Wurzeln schlagen und darüber freue ich mich so sehr! Ich habe aber auch mich gefunden. Die Großstadt passte nie wirklich zu mir. Die Rhön ist genau das, was ich liebe. Hier will ich bleiben, hier werde ich alt.

Rechts auf dem Foto: Die Kirche von Völkershausen mit der Lichtenburg in Ostheim im Hintergrund © Kati Schulz

Erschienen in der Ausgabe 09/2024 (zum Heftarchiv).