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Heimatjournal
01 Oktober, 2021

4 Min. Lesezeit

Nadine Demharter

„Jeder ist dazu bestimmt, zu leuchten.”

Mit dem Atelier „Mittelpunkt“ in der Meininger Innenstadt hat Nadine Demharter einen vertrauten Ort für sich außerhalb ihres Zuhauses geschaffen. Es ist ein Wohlfühlort für sie und andere Menschen, die sie in einer herausfordernden Lebensphase begleiten darf. Neben ihrer therapeutischen Arbeit als Kunsttherapeutin, Frey Spiel Coach und Heilpraktikerin (beschränkt auf den Bereich Psychotherapie), liebt Nadine es selber im „Mittelpunkt“ kreativ zu sein und zu experimentieren. „Ich wünsche mir mit meinem Atelier das Wirken der Kunsttherapie in der Region erlebbarer und präsenter zu machen. Denn ich glaube, Meiningen wächst an neuen Ideen und Impulsen, die zur Zufriedenheit und Gesundheit seiner Beheimateten beitragen. Unsere kleine Stadt inspiriert mich oft zu neuen Ideen. Ich habe den Eindruck, dass ich hier etwas bewegen kann, wenn ich mich authentisch zeige und von dem erzähle, was mich begeistert und mein Leben bereichert.“, so Nadine Demharter.

© Mona Scharfenberger


Steckbrief
Name: Nadine Demharter
Wohnort: Meiningen
Alter: 30 Jahre
Hobbys: Malerei, Qigong, schreiben
Lieblingsspruch: Jeder ist dazu bestimmt, zu leuchten.


Was bedeutet Heimat für dich? Was verbindet dich mit ihr?

Heimat ist für mich weder alleine ein Ort, noch ein Gefühl. Es sind verdichtete, gesammelte Kindheitserinnerungen gebündelt an einem Ort. Es sind viele erinnerte Gefühle verbunden mit guten Menschen, die dort eine Zeit mit mir waren. Heimat ist eine vertraute Verbindung zwischen mir, also Mensch und damaligen Wohnort, also Raum. Eine Sammlung an Erlebnissen in früher Lebenszeit. Heimat ist mehr als ein Zuhause. Sie ist Teil meiner Vergangenheit. Eine Heimat ist unverrückbar. Sie steht fest, kann nicht neu gefunden, nur wiederentdeckt werden. Ein Zuhause hingegen ist ein Ort, an dem ich mit der Natur, mit den Geräuschen, mit der Geschichte und den mich umgebenen Menschen vertraut geworden bin. Zuhause ist immer gegenwärtig und selbstgewählt. Es steht nicht fest, außer wir wollen das. Meiningen ist für mich in den letzten Jahren zu einem solchen Zuhause geworden. Den Thüringer Wald mit seinen tiefen Wäldern und Tälern habe ich schätzen gelernt. Obwohl ich mich hier heute zu Hause fühle, und meine Tochter hier geboren ist, bin ich an einem anderen Ort beheimatet. Wenn ich an meine Heimat im Donau-Ries denke, habe ich ein weiches, kindliches Gefühl. Ich bin froh und dankbar, genau dort aufgewachsen zu sein. Mich verbindet die Erinnerung an eine sichere Kindheit und Jugendzeit, mit Verbindung zur örtlichen Natur, in der ich mich schon als Kind viel und gerne bewegt habe.

 

Wenn du an deine Heimat denkst, denkst du an …

 
An traditionelle Feste wie das Staben- oder Stadtmauerfest, in denen ich als kleines Mädchen Blumenkränze im Haar getragen habe und singend durch die Stadt gezogen bin. Ich denke an sanfte Hügel mit Höhlen, weite Felder und Mischwälder. Wenn ich an die Stadt Nördlingen denke, denke ich auch an seine Entstehungsgeschichte. Das hat mich bereits als Kind sehr fasziniert. Die Region ist durch einen Asteoriteneinschlag entstanden. Natürlich denke ich auch an die fast vollständig erhaltene Stadtmauer, auf der ich so viele Male entlang gegangen bin. In der Kindheit wurden uns viele Geschichten über die Stadt erzählt, auch über Maria Holl, eine Frau, die die damaligen Hexenprozesse überlebt hat.

Nadine Demharter in ihrem Atelier © Mona Scharfenberger

Kann sich Heimat deiner Meinung nach im Laufe des Lebens ändern?

Nein, ich glaube eine Heimat bleibt. Denn wir sind als Erwachsene bereits irgendwo beheimatet. An dem Ort, an dem wir den größten Teil unserer Kindheit verbracht haben. Was mir möglich scheint, ist die Haltung zur eigenen Heimat zu verändern. Als Mutter einer Tochter erlebe ich das Thema Heimat wieder als wichtig und möchte meiner Tochter zeigen, wo ich beheimatet bin. Da ich eine Zeit lang in Erfurt gelebt habe, kommt mir meine Heimatstadt heute viel kleiner vor, als ich sie damals als Kind empfunden habe. Die Wege sind kürzer, vielleicht weil man als Kind langsamer und neugieriger in den Straßen unterwegs war. Alles war eine Einladung um neue Erfahrungen zu machen. Heute als Erwachsene eilen wir oft durch unsere Stadt, um die Erledigungen des Alltags alle abzuhaken. Heimat ist eine vergangene Welt, Zuhause eine gegenwärtige. Obwohl mein Zuhause ein anderes geworden ist, stehe ich mit der Region meiner Heimat in einer besonderen Verbindung. Ich möchte von ihr erzählen, die Region wertschätzen, für das Zuhause, welches sie einst war für mich. 
 
 
Inwiefern haben dich deine Wurzeln zu dem Menschen gemacht, der du heute bist? 
 
Meine Wurzeln sind durch viele Umzüge sehr breit und vernetzt geworden. Ich fühle mich an einigen Orten ein Stück weit heimisch und wohl. Ich habe gelernt, mich relativ schnell mit einem Ort vertraut zu machen, indem ich viel Zeit in der Natur verbracht habe und mich mit den Gewässern, Gesteinen, Wäldern und der örtlichen Tier- und Pflanzenwelt vertraut gemacht habe. Die Menschen in meiner Heimat sind sehr herzlich, offen und hilfsbereit. Das sind Eigenschaften, die mich bis heute ausmachen. Ich gehe vom Besten in meinem Gegenüber aus. Diese Haltung hilft mir auch bei meiner Arbeit als Therapeutin, den Menschen in einer positiven Grundhaltung zu begegnen, welchen ich ein Stück auf seinem Weg begleiten darf. Da ich in einer beschaulichen Kleinstadt groß geworden bin, ist es für mich heute angenehm, in Meiningen zu leben. Mir fehlt es an nichts. Ich habe meine Bibliothek, meinen Bioladen, einen Teeladen. Auch in der Großstadt, in der ich eine Weile gelebt habe, habe ich mich wohl gefühlt. Obwohl ich in meinem Leben oft umgezogen bin, habe ich mich nie heimatlos gefühlt. Vielleicht ist also Heimat doch ein Ort in mir?
 
 
Wo ist dein Lieblingsplatz in deiner Heimat?
 
Der Hexenfelsen auf der Marienhöhe. Das Dolomitengestein liegt mitten im Wald verborgen. Dort kann man sich entweder in eine kleine Höhle zurückziehen oder auf den Felsen steigen und den Überblick behalten. Es ist ein geschichtsträchtiger Ort, da wie der Name bereits verrät, dort früher Hexenverbrennungen stattgefunden haben sollen. Maria Holl, eine damals angeklagte Frau, hat diese grausame Zeit überlebt, und ist bis heute in der Stadt dafür unvergessen. Es gibt einen Brunnen zu ihren Gedenken, welchen ich ebenfalls sehr mag, weil er mich an die Kraft aller Frauen erinnert.

Was sollte man in deiner Heimat unbedingt gesehen, oder auch gegessen haben?

... Stabenwürstle in der Semmel und ausgebackene Grießnockerl, außerdem den Rieser Bauernkuchen. Es lohnt sich sehr, dass Rieskratermuseum zu besuchen und die Ofnethöhlen.

Erschienen in der Ausgabe 10/2021 (zum Heftarchiv).