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Jens Neundorff von Enzberg
„Heimat – das ist für mich der Ort, an dem ich mich wohlfühle.”
Jens Neundorff von Enzberg, ist ein deutscher Theaterintendant, Operndirektor und Dramaturg. Er war nach seinem Studium der Musikwissenschaft, des Theatermarketing und der Kulturwissenschaften in Berlin und Leipzig ab 1992 als Dramaturg für alle Sparten am Südthüringischen Staatstheater Meiningen engagiert, bevor er 1996 als Dramaturg an die Sächsische Staatsoper Dresden wechselte.
Dazu war er mit der künstlerischen Leitung der „kleinen szene“, der experimentellen Bühne der Semperoper, betraut. Von 2000 bis 2007 war Jens Neundorff von Enzberg Chefdramaturg für Musiktheater und Mitglied der künstlerischen Leitung des Theaters Bonn sowie künstlerischer Leiter der experimentellen Musiktheaterreihe „bonn chance!“. In den Spielzeiten 2007/08 bis 2011/12 war Jens Neundorff von Enzberg als Operndirektor und Musiktheaterdramaturg am Staatstheater Braunschweig tätig. Mit Beginn der Spielzeit 2012/13 wurde er Intendant am Theater Regensburg und leitete das 5-Sparten-Haus mit großem künstlerischen und wirtschaftlichen Erfolg bis 2020/21. In seinen Ensembles verzeichnete das Theater Regensburg vier Preisträger:innen des Bayerischen Kunstförderpreises. Der Fokus der Spielplangestaltung lag auf einer Mischung aus Wiederentdeckungen, Bewährtem, selten gespielten Werken und Uraufführungen.
Zu Beginn der Spielzeit 2021/22 übernahm Jens Neundorff von Enzberg die Intendanz am Staatstheater Meiningen und am Landestheater Eisenach.
© Kati Schulz
Steckbrief
Name: Jens Neundorff von Enzberg
Wohnort: Meiningen
Alter: 57 Jahre
Lieblingsspruch: „Das Glas ist halb voll.“
Was bedeutet Heimat für dich?
Der Heimatbegriff von Theaterleuten ist einer der besonderen Art. Während bei den meisten Menschen als Heimat gemeinhin der Ort der Kindheit beschrieben wird oder später der, an dem man Wurzeln schlägt, habe ich als Theatermensch eine ganze Reihe an „Heimaten“ – ist mein Leben doch in viele Stationen und Orte gegliedert: 7 Jahre Bonn, 5 Jahre Braunschweig, 9 Jahre Regensburg – und nun schon das zweite Jahr Meiningen, nachdem ich hier schon einmal (1992 bis 1996) am wunderbaren Staatstheater als Dramaturg arbeiten durfte. Heimat also. Das ist für mich der Ort, an dem ich mich wohlfühle. Abstrakter gedacht ist es sogar das Theater als solches. Insofern würde ich Meiningen dann doch schon als meine Heimat ansehen, zumal ich ja nun „Wiederholungstäter“ im besten Sinne des Wortes bin. Doch Heimat sind natürlich auch Menschen. Und so sehe ich mich auch „beheimatet“ mit Menschen, die mich seit vielen Jahren begleiten und die zum Teil auch mit nach Meiningen gekommen sind.
Hinzu kommt – und nun werden bestimmt einige schmunzeln – dass der Zuschauerraum eines Theaters (egal ob voll oder leer) auf mich eine Magie ausstrahlt, die vom Heimatgefühl nicht weit entfernt ist. Probieren Sie es mal aus! Betrachten Sie die Zeit bis Vorstellungsbeginn nicht als zu überbrückenden Moment, sondern genießen Sie den Raum.
Auch Kultur ist damit Heimat für mich – Kulturgenuss ein Gefühl der Geborgenheit.
Konkret geantwortet ist natürlich Meiningen – wie oben beschrieben – meine derzeitige Heimat. Und da kann ich tatsächlich regelrecht ins Schwärmen geraten. Meiningen ist Kultur und Natur pur. Hier kann man wirklich wandern, dass jeder Wanderstock in die Knie geht. Ich liebe den Weg zum Diezhäuschen oder den Fußweg nach Dreißigacker (Belohnung oben: Einkehr beim „Hirsch“).
Thüringen gilt ja gemeinhin als Wintersportregion, aber genial sind auch die Möglichkeiten, das Fahrrad zu bewegen – ich liebe die Strecke zur Hohen Geba.
Bis auf eine Kneipenmeile bietet Meiningen wirklich viel. Immer wieder beeindruckt mich das einzigartige architektonische Ensemble der Altstadt – meiner Meinung nach ein Gesamtkunstwerk mit absolut homogenem Kern und dem Staatstheater als Monolith; absolut überproportioniert für die Größe der Stadt, aber – für mich immer wieder ein Wunder – funktionierend. Rouladen und Klöße (Hütes) sind die perfekte Stärkung nach Spaziergängen oder Radausflügen. Im Henneberger Haus, dem Zwinger oder der Träbeser Bauernstube fällt mir dann immer wieder auf, wie eng Thüringen und Franken doch verwoben sind – kulinarisch und architektonisch.
Die Verbindung zur Natur wurde mir vermutlich schon in der Geburtsstadt Ilmenau in die Wiege gelegt. „Heimat Ilmenau“: Das war große Unbeschwertheit und eine Vielfalt an Möglichkeiten, vor allem auch in der Natur. Gerne denke ich an die außergewöhnliche Musikschule dort zurück, deren Leiter einer der letzten Meisterschüler Hans Eislers war und ein guter Freund meines Vaters. Klavier und Saxophon durfte (musste) ich dort lernen. Heute weiß ich, dass dann alles doch nicht ganz umsonst war, wenn man als Intendant auch eine Partitur lesen kann und weiß, wie schwer – und einsam es ist – ein Soloinstrument zu lernen.
Bei Ilmenau denke ich natürlich auch an die Rottenbachstraße, in der man damals noch unbeschwert auf der Straße Fußball spielen konnte. Als zumindest interessant würde ich meine Zeit bei diversen Fußballvereinen in Ilmenau beschreiben. Da ich ziemlich groß war, landete ich automatisch im Tor und hatte da sehr unterschiedliche Erfolge – aber der Teamgeist hat mich damals schon beeindruckt und zieht sich seitdem durch mein ganzes Leben.
Was ich total schön fand: Dass es tatsächlich noch Menschen in Ilmenau gab, die sich nach meiner Berufung als Intendant, im Theater gemeldet haben.
Wenn Gäste nach Geheimtipps fragen, muss ich nicht lange nachdenken und fahre mit ihnen nach Walldorf. Die Kirchburg dort, die Art ihrer Sanierung und der hervorragend gelungene Brückenschlag ins Hier und Heute sind für mich ein absolutes Highlight der Region. Auch der dahinter liegende jüdische Friedhof sollte unbedingt zum erweiterten Meininger Besuchsprogramm gehören.
Das Staatstheater in Meiningen
Fotos (4): Kati Schulz
Foto: Kirchenburg in Walldorf © Pfarrer Heinrich von Berlepsch
Erschienen in der Ausgabe 03/2023 (zum Heftarchiv).