4 Min. Lesezeit
Dieter Ulrich
„Meine Heimat ist die Rhön”
Mein Name ist Dieter Ulrich und meine Heimat ist die Rhön – die hessische, die thüringische und die bayrische Rhön. Geboren und aufgewachsen bin ich im schönen Rhönstädtchen Tann. Mittlerweile wohne ich ein paar Kilometer weiter – im Hilderser Ortsteil Unterbernhards, direkt am Waldrand an einem sonnigen Südwesthang. Meine Heimat gibt mir Tag für Tag ein wenig das Gefühl von Urlaub. Wenn es schon mir als Einheimischem so geht, wie empfinden es erst „richtige“ Urlauber? Doch das war nicht immer so.
Der Begriff „Heimat“ prägte meine Kindheit: Meine Eltern waren Heimatvertriebene. Politische Gründe zwangen sie ihre Heimat in Bosnien und dem Sudetenland zu verlassen. Der neue Wohnort in der Rhön war nicht dem eigenen Wunsch geschuldet, sondern einem Zufall bei der Verteilung über die gesamte Republik. Kein Wunder, dass die alte Heimat ständiger Gesprächsstoff war. An eine Rückkehr nach Jugoslawien oder die Tschechoslowakei war nicht zu denken. Selbst ein Besuch gestaltete sich schwierig.
© Kati Schulz
Steckbrief
Name: Dieter Ulrich
Wohnort: Unterbernhards
In meiner Jugend konnte ich mich nicht wirklich in der Rhön zuhause fühlen. Ich lebte im Zonenrandgebiet. Gefühlt am Ende der Welt, direkt an einer undurchdringbaren Grenze. Von der thüringischen Rhön war mir nicht mehr als eine Handvoll Ortschaften bekannt, die ich von mehreren Aussichtspunkten sehen konnte. Dafür kannte ich jeden, der mir auf der Straße entgegenkam.
Für meinen Beruf als Versicherungskaufmann war kein großer Ortswechsel nötig. Dem Außendienst geschuldet kam ich selbst in die kleinsten Weiler der hessischen Rhön und lernte eine Vielzahl echter Rhöner kennen und lieben.
Zur Zeit der deutschen Wiedervereinigung gründete ich meine eigene Familie. Unsere Kinder und die Liebe zur Natur führten mich zum ortsansässigen Rhönklub. Dort fand ich meine Freude an der Erkundung meiner Heimat zu Fuß.
Die darauffolgenden Jahre waren geprägt von zahlreichen Naturerlebnissen auf unzähligen Wanderungen in allen drei Teilen der Rhön. Aus der Mitgliedschaft im Rhönklub Tann mit gelegentlichen Wanderplanungen entschloss ich mich 2015 zur Wanderführerausbildung nach den Richtlinien des deutschen Wanderverbands. Es folgten ein Lehrgang für zertifizierte Natur- und Landschaftsführer beim Biosphärenreservat Rhön und eine Fortbildung auf Point Alpha. Hier erwarb ich tiefergehende Kenntnisse zum Grünen Band, der DDR-Grenzlinie mit seiner grausamen Vergangenheit. Mittlerweile durchlebt der ehemalige Todesstreifen den Wandel zur Lebenslinie, dem einzigartigen Biotopverbund. Letztes Jahr verbesserte ich meine biologischen Kenntnisse bei einer Moorführerausbildung im einzigen hessischen Hochmoor, dem Roten Moor.
Mit diesem Repertoire bin ich heute als „Der Rhönbote“ unterwegs, um allen Interessierten meine Heimat näherzubringen. Das Land der offenen Fernen mit seinen wunderbaren Ausblicken – nicht nur von Wasserkuppe, Kreuzberg und dem Ellenbogen – mit einer besonderen Flora und Fauna, herzlichen Menschen und hervorragenden Gastgebern. Das Ganze abseits des Massentourismus der bekannten Urlaubshochburgen.
Dieter Ulrich nahe des Aussichtsturmes am Roten Moor in der Hessischen Rhön
Gerade im Frühjahr finden wir versteckte Wiesen und Wälder mit Lerchensporn, Märzenbechern, Bärlauch und eine ganze Reihe wilder Orchideen, zum Beispiel das Purpur-Knabenkraut und der Bienen-Ragwurz sowie die beiden Hochmoore mit Wollgras, dem Sonnentau und den Karpatenbirkenwäldern.
Wenn Sie mich fragen, gehört zu jeder Wanderung eine zünftige Einkehr. In den urigen Gaststätten warten deftige Rhöner Spezialitäten, wie zum Beispiel Nästerhödes (Lackefleisch im Kartoffelklößeteig, serviert mit Porreebröh). Mit dieser Bestellung ernten Sie im benachbarten Thüringen nur fragende Blicke, denn „über den Berg“ ist die Delikatesse als Fleischhütes bekannt.
Ich führe Wanderer und Spaziergänger auf Halbtages-, Tages- oder auch Mehrtagestouren durch die schönsten Gegenden und Geheimtipps der Rhön. Ob Grenzwanderung, Moorführung oder ein ganz individuelles Tagesprogramm. Sehr gerne begleite ich auch Bustouren und beschere dem Kurzurlauber einen erholsamen Aufenthalt mit den schönsten Stopps in unserer Region.
Ob ich die Rhön auch einmal verlassen wollte? Tatsächlich war ich mehrmals mit meiner Lebensgefährtin auf der wenig bekannten dänischen Insel Bornholm im Urlaub. Dort gefiel es uns so gut, dass wir ernsthaft überlegten, ob das im Rentenstand einmal unser neues Zuhause werden könnte. Wer schon einmal dort war, kann uns vielleicht verstehen: Herrliche Sandstrände, Steilküsten und beschauliche Örtchen sind auch reizvoll. Die Rhönzelte komplett abzubrechen, ist für uns allerdings keine Option. Es bleibt beim Ferienort für etwas längere Auszeiten.
Fotos (12): Kati Schulz
Erschienen in der Ausgabe 05/2024 (zum Heftarchiv).