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Brigitte Proß
„Liebe auf den zweiten Blick”
In Unterweißenbrunn, einem Dorf am Fuße des Kreuzberges, geboren, wuchs ich ganz unbekümmert auf und genoss ein intaktes Familien- und Dorf-Gemeinschafts-Leben. Unser Spielplatz war die Gasse und die freie Natur, die ich bei Ausflügen und Wanderungen recht bald intensiv schätzen gelernt habe. Auch, dass die Rhön etwas ganz besonderes ist. Kontaktfreudig und auch etwas neugierig, wie ich schon immer war, war mir bald klar, dass ich die Schönheiten meiner Heimat auch Besuchern und Gästen zugänglich machen wollte. Deshalb führte mich mein Weg nach dem Abitur in das Gastgewerbe mit dem Ziel Tourismus. Doch in die „große weite Welt“ zog es mich nicht (wahrscheinlich war der Abnabelungsprozess noch nicht vollzogen) und so landete ich 1980 in Mellrichstadt.
© Kati Schulz
Steckbrief
Name: Brigitte Proß
Wohnort: Mellrichstadt
Anfangs noch überzeugt, dass ich in diesem kleinen Städtchen an der ehemaligen Grenze nicht für immer bleiben werde, war es dann wohl die Liebe auf dem zweiten Blick, die Mellrichstadt für mich zum Lebensmittelpunkt und neuen Heimat werden ließ – sowohl familiär als auch beruflich. Denn man entdeckt die Schönheiten und das Potenzial dieser fränkischen Kleinstadt nicht sofort und kompakt. Nein, erst der Blick neben und hinter die Kulissen überzeugt: So zum Beispiel die wechselhafte und mehr als 1200jährige, bedeutende Geschichte der ehemaligen Kreisstadt, eine begehbare Stadtbefestigung aus dem 13. Jahrhundert, dem tollen Kultur- und Freizeitangebot, aber auch die hohe Lebensqualität für Groß und Klein. Und seit dem Innenstadtumbau, den ich hautnah begleiten durfte, zeigt Mellrichstadt sich als moderne und weltoffene Kleinstadt, in der es sich gut leben lässt, man sich sicher fühlt und jeder jeden kennt – wie in meinem ursprünglichen Heimatdorf eben auch.
Brigitte Proß genießt mit ihrem Mann die Landschaft rund um Mellrichstadt. © Kati Schulz
Beruflich konnte ich über 30 Jahre lang Neubürgern und Gästen meine Wahlheimat näherbringen, hielt im Bereich Tourismus und Stadtmarketing die Zügel in den Händen und konnte viel zur Entwicklung der Stadt beitragen und mit meinen Kollegen der Rhöner 5 und der Rhön GmbH die Region als Urlaubsziel vermarkten. Denn längst nicht alle haben die Rhön mit ihrem tollen Angebot entdeckt und kennengelernt.
Gerne nenne ich hier auch „meine Lieblingsplätze“ wie zum Beispiel die Moore, die Matten der Hochrhön, die Milseburg, der Frickenhäuser See, der Kreuzhügel mit der Fatimakapelle in Frickenhausen, die Burgruine Osterburg bei Haselbach oder das Stelenfeld auf der Mellrichstädter Höhe, die Liegebank auf dem Eiersberg und vieles mehr.
Ein besonderes Highlight ist für mich immer wieder eine Fahrt über die Hochrhönstraße von Fladungen nach Bischofsheim – einfach atemberaubend.
Nun im Ruhestand werde ich mich auch weiterhin für Mellrichstadt engagieren. Dieses Versprechen gilt! Und wer weiß – vielleicht sieht man sich ja mal in „Mellerscht“.
Und wenn mich dann doch das Fernweh packt, ist man über die A 71 schnell weg, aber auch schnell wieder da. Wenn ich dann auf der A 71 von Süden komme und die Berge und Hügel der Rhön sich im Westen erstrecken, entwischt mir dann immer ein „Wow“ und ich verliebe mich jedes Mal aufs Neue in meine Rhön – diese einzigartige Naturlandschaft inmitten Deutschlands mit seinem Hochplateau und seinen weiten Fernsichten. Dabei kommt mir dann wieder eines meiner Lebensmottos in den Sinn: „Erweitere deinen Horizont, aber halte an den Wurzeln fest!“. „Ja“, denke ich mir dann, „Ja, schön ist es hier – das ist Heimat“.
Denn mit Heimat verbinde ich Frieden, Sicherheit, Zusammenhalt, Nachhaltigkeit, Verbundenheit, Bodenständigkeit – schön, dass ich all dies hier erleben darf.
Der Frickenhäuser See im Landkreis Rhön-Grabfeld © Kati Schulz
Apropos Bodenständigkeit – das bedeutet für mich auch Festhalten an Tradition, Sprache und Esskultur. So schätze ich sehr die Brauchstumspflege in Form von Festen und Veranstaltungen oder auch in Museen wie auch die Aufrechterhaltung von Dialekten. Ich selbst verheimliche meinen „Önnerweissebrönner Slang“ nicht und bin stolz darauf. Ebenso genieße ich die Rhöner Hausmannskost wie Mehlklöß mit Gurkensalat, Zammete mit Buttermilch, „önnersche Kohlrowe“ mit Kartoffelbrei und Eisbein (hier aber nur das magere Fleisch), Lensesoppe mit Mehlklöß, verschmähe aber auch nicht die Rhöner Kochkunst mit Lamm, Wild und Forelle.
Doch das soll nicht heißen, dass hier in der Rhön die Zeit stehen geblieben ist. Ganz im Gegenteil, hier wird Naturschutz gelebt, innovativ entwickelt und produziert, regional wie international vermarktet und vor allem gut gelebt. Also wie wär’s mit einem Ausflug nach Mellerscht und Umgebung?
Fotos: Kati Schulz
Erschienen in der Ausgabe 06/2023 (zum Heftarchiv).