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Heimatjournal
01 Juni, 2024

4 Min. Lesezeit

Karin Anne Schöbel

„Heimat bedeutet für mich angekommen sein”

„Nur wo du zu Fuß warst, warst du wirklich ...” – das ist die beste Art, Unbekanntes zu entdecken und scheinbar Bekanntes neu zu erleben. Ich bin wandernde Beobachterin, Sammlerin, Jägerin, Spürerin und Zuhörerin. Meine Name ist Karin Anne Schöbel. Aufgewachsen bin ich im thüringischen Bauerbach, südlich von Meiningen. Seit einigen Jahren lebe ich in Gersfeld in der wundervollen Rhön. Nach einer Wanderung zum Wachtküppel spürte ich plötzlich, dass ich hier leben möchte. Seit ich hier in Gersfeld zu Hause bin, bin ich mit meinem ganzen Sein angekommen. Es ist dieses Gefühl der tiefen Seelenverbindung, das für mich den Begriff „Heimat” ausmacht. Daher gibt es mittlerweile keinen Ort mehr, den ich lieber Heimat nennen würde. Ich liebe die Einzigartigkeit der Rhön, das Land der offenen Fernen mit seinen stillen Plätzen und versteckten Bergseen, die Kuh-, Schaf- und Ziegenweiden an stillen Orten auf der Hochrhön und immer wieder die Überraschung, neue Plätze zu entdecken. Die einzigartige Landschaft hier in der Rhön hält Tag für Tag und zu jeder Jahreszeit unbeschreiblich schöne Stimmungen, faszinierendes Licht und markante Landschaftsformen bereit.

© Kati Schulz


Steckbrief
Name: Karin Anne Schöbel
Wohnort: Gersfeld


Karin Anne Schöbel © privat

Ich liebe es, diese Stimmungen mit meiner Kamera festzuhalten und jedes Jahr aufs Neue in Form meines Kalenders „Neue Ansichten” allen Rhön-Liebhabern zugänglich zu machen. Mit meinen Kalendern möchte ich Menschen zum Draußensein einladen. Nur da kann man der Rhön hautnah kommen. Nur da gibt es all die Begegnungen, unwiederbringlichen Erlebnisse, Entdeckungen, Geschenke der Rhöner Natur – für jeden mit offenen Sinnen. Jedes Motiv beflügelt mich, meine typische Sicht auf die als Heimat mir tief verbundene Landschaft an möglichst viele Menschen weiterzugeben. Die Orte, die ich fotografieren will, schaue ich mir nicht nur an, sondern ich versuche, ein Gefühl für diese Plätze zu entwickeln, die Wirkung des Ortes auf Menschen zu erahnen. Der Charakter unserer vielfältigen Natur, ihrer wertvollen und schutzbedürftigen Landschaften, deren Schönheit, Wildheit, Stille, Geschichte und Mystik sind etwas, das Zuwendung, Kenntnis und Respekt aller Bewohner und Gäste verdient. An Naturbegegnungen fasziniert mich die Bereicherung, die erlebt, wer sich fokussiert der Unendlichkeit der Naturerscheinungen öffnet. Dann kann man die Kraft der leisen Töne und die Magie einer unwiederbringlichen Sekunde wahrnehmen, die anderen vielleicht belanglos erscheinen mag. Fotografie gibt solchen Augenblicken ein Verweilen. In diesem Jahr feiere ich mit meinen „Neuen Ansichten” zwanzigjähriges Jubiläum. Einmal mehr möchte ich mit meinen zwanzigsten „Neuen Ansichten” die Neugier und Entdeckerlust all jener wecken, denen die Rhön ähnlich ans Herz gewachsen ist wie mir. Ich möchte dazu einladen, die offenen Fernen im Großen wie im Kleinen selbst zu erschließen – genauer: zu erwandern.

Blick auf das Schwarze Moor (links) und auf das Rote Moor (rechts) © Karin Anne Schöbel

Die Rhön war ein sehr karges und armes Land (Buchonia) und hat sich durch die schwere Arbeit der Menschen, die hier aufgewachsen sind zu dem entwickelt, was sie heute ist – eine Landschaft mit offenen Fernen. Manchmal wünsche ich mir mehr Achtsamkeit von Menschen, die dieses Kleinod besuchen. Mir persönlich gibt die Rhön alles zurück, was ich als Kind leben konnte und durch schwere Zeiten (wie die Ausreise 1989 aus der DDR) verloren hatte. Ich liebe es durch die Rhön zu wandern – die 700-jährige Ziegeneiche auf der Hohen Dalle in Oberelsbach und das RADOM auf der Wasserkuppe zählen zu meinen Lieblingsplätzen.

Wachtküppel © Karin Anne Schöbel

Meine zweite Leidenschaft ist das Schreiben. Ich habe schon immer gern geschrieben. Ob Tagebuch oder kleine Geschichten – wenn Zeit war, saß ich mit Stift und Blick in der warmen Stube und habe geschrieben, was das Zeug hält. Das hat sich bis heute nicht geändert. So sind in den vergangenen Jahren zwei Kinderbücher aus meiner Feder entstanden: „Raukas Reise in das Land der Träume” und „Rauka im Land der Träume”. In den Geschichten dreht sich alles um ein blondgelocktes Mädchen namens Rauka sowie deren Freunde, die zahlreiche Abenteuer in der Rhön erleben.

Die Geschichte über Rauka ist mir an einem nebeligen Mai-Tag bei einem Spaziergang im Moor eingefallen. Dies ist ein ungeheuer energiereicher Ort. So wie Rauka auf Entdeckungsreise am Roten Moor geht, so ging auch ich früher gerne auf Entdeckungsreise. Schon als kleines Mädchen habe lieber mit meinen Geschwistern im Wald gespielt als im Kindergarten. Immer schon war ich ein „Kind der Natur”, wenngleich mir auch das Stadtleben durch meine Stationen in Offenbach, München, Stuttgart und Salzburg gut bekannt ist.

Mit meinen Büchern möchte ich Kinder anregen, wieder mehr zu lesen, ihre eigene Fantasie zu entwickeln und inmitten der Natur statt am Computer zu spielen. Ein Leben ohne Bücher ist für mich unvorstellbar. Ich selbst lese beispielsweise an Weihnachten immer wieder „Michel aus Lönneberga”. Diese Geschichten kenne ich bereits auswendig. Aber das sind für mich wundervolle Erinnerungen an meine Kindheit. Und: Sollten wir nicht alle ein wenig Kind bleiben? Ich wünsche mir mit meinen Geschichten Verbindung zu schaffen, dass Familien draußen unterwegs sind und etwas erleben wollen. Denn in der Rhön kann man so viele Entdeckungen machen. Hier bin ich angekommen und hier bleibe ich.

Erschienen in der Ausgabe 06/2024 (zum Heftarchiv).